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Artikel KStA zur Biografie von Bruder Lukas vom 1.Mai 2018

Immer im Einsatz gegen Ungerechtigkeit
Bruder Lukas (Mitte) stellte in der Bücherei an Sankt Franziskus seine Autobiografie vor. Lydia und Winfried Ohlerth haben sie gemeinsam mit ihm produziert. (Schöneck)

BÜCHEREI Benediktinermönch Bruder Lukas liest aus seinen Memoiren – Bereits in zweiter Auflage auf dem Markt

Bilderstöckchen. Der Einsatz für sozial Benachteiligte, der Widerstand gegen Ungerechtigkeit, der Glaube und die Kunst – das ist der rote Faden, der sich durch das Leben von Bruder Lukas, Benediktinermönch aus Maria Laach und Sozialarbeiter im Bilderstöckchen, zieht. „Man kann sich das Wissen über Armut nicht aneignen, man muss selbst arm sein. Ich bin zu den Menschen im Bilderstöckchen gegangen, weil ich selbst arm war. So kam das damals“, verriet er bei der Lesung seiner Memoiren in der Katholischen Öffentlichen Bücherei von St. Franziskus.

Nach der Premierenlesung in der Abtei Maria Laach stellte er mit Lydia und Winfried Ohlerth seine Autobiografie nun auch in Bilderstöckchen, seiner zweiten Wahlheimat, vor. Rund 20 Besucher erlebten eine sehr persönliche Begegnung mit dem außergewöhnlichen Menschen, der im Juli seinen 90. Geburtstag feiert. „Wir haben uns im vergangenen Jahr häufiger getroffen, um das Buch durchzusprechen“, erläuterte Winfried Ohlerth. Hiervon ist nun schon die zweite Auflage auf dem Markt.

„Er ist Zeitzeuge des Zweiten Weltkrieges“, unterstrich Ohlerth. Als Alfred Ruegemer 1928 in Berlin geboren – den Namen Lukas nahm er erst im Kloster an -, erlebte er als Jugendlicher die NS-Zeit mit, und ihre Wirkung bis in die eigene Familie hinein, die in ihrer Weltanschauung gespalten war. „Es wurde bei uns so gut wie nie über Politik gesprochen. Mein Vater trat früh in die NSDAP ein, aber redete nie über seine Gründe, auch nach dem Krieg nicht“, erläuterte Bruder Lukas. „Meine Mutter hingegen war das genaue Gegenteil eines Nazis.“ Sie lehnte das Regime entschieden ab und beherbergte sogar konspirative Treffs von Hitler-Gegnern. „Sie setzte sich einmal extra auf eine gelbe Parkbank, die Juden vorbehalten war. Als ich sie darauf ansprach, sagte sie: Geht weiter, das hier ist meine Sache.“ Als sein Vater ihm die NS-Eliteschule von Sonthofen im Allgäu zeigte und ihn dorthin schicken wollte, meinte die Mutter: „Das ist nichts für ihn.“ Und damit war das Thema erledigt.

Der menschenverachtende Charakter des NS-Regimes sei früh sichtbar gewesen, wenn man es denn erkennen wollte. „Geschickt wurden die Demütigungen der Juden in kleinen Portionen verabreicht, so dass die Bevölkerung sich daran gewöhnte“, schilderte er, sich an die immer stärkeren Schikanen und Verbote erinnernd – wie die Diskriminierung durch eigene Parkbänke, der Stehzwang in Bussen und Bahnen sowie das Kino- und Theaterverbot. „Am Schluss stand dann die sogenannte Endlösung.“ Er selbst überlebte nur mit äußerstem Glück ein Bombardement, in dessen Zentrum er sich als Flugabwehr-Helfer mit einem Freund befand.

Nach dem Krieg, als er ein Studium an der Berliner Kunstakademie aufgenommen hatte, begann seine Hinwendung zum religiösen Orden, in den er 1951 eintrat. „Jesus war aus Liebe zu uns gestorben – das war eine ganz andere Lehre als die, die ich vorher kennengelernt hatte“, bilanzierte er. Der damalige Abt Urbanus war zu seinem Glück selbst der Kunst sehr zugetan; er ermöglichte Bruder Lukas, bei den Benediktinern weiter als Maler tätig zu sein; später bezog er im Kloster sogar ein eigenes Atelier.

Mitte der 1960er-Jahre jedoch entwickelte sich seine größte Berufung: Für zunächst 14 Tage betreute er eine Kinder-Ferienfreizeit im Springborn – einer Obdachlosen-Siedlung zwischen Mülheim und Höhenhaus -, doch daraus wurden schließlich Jahre. 1972 wechselte er nach Bilderstöckchen, wo er das Jugendzentrum „Lucky’s Haus“ mit aufbaute. „Ich war begeistert von den Jugendlichen. Das waren Straßenjungen, aber Persönlichkeiten, mit denen es Spaß machen würde, zusammen zu sein“, erinnert er sich. Mit den Mitstreitern des „Kellerladens“ an der Alzeyer Straße, den er in den Achtzigern begründete, organisiert er bis heute Hilfstransporte nach Osteuropa – vor der Wendezeit nach Polen, dann in die Ukraine sowie zur slowakischen Roma-Siedlung Habesch, wo sie „Hilfe zur Selbsthilfe“ leisten und mit den Bewohnern auch eine Kapelle errichteten.

„Dass mein Leben so verlaufen ist, wie es ist, habe ich im Wesentlichen meiner Mutter zu verdanken. Und natürlich unserem früheren Abt Urbanus“, bilanzierte Bruder Lukas. Auch die Gäste zeigten sich beeindruckt vom Leben und Wirken des nimmermüden Ordensmanns. „Es ist ein Stück Geschichte, die zwischen zwei Buchdeckeln bewahrt wird“, so Lydia Ohlerth. Neben vielen Fotos aus dem Archiv von Bruder Lukas sind, als Hilfe für jüngere Leser, auch farblich abgesetzte, geschichtliche Hintergründe eingestreut, mit denen die Schilderungen besser nachvollziehbar sind. Das Buch „Bruder Lukas Ruegenberg: Mönch, Maler, Sozialarbeiter“ aus Ohlerths „Edition Kalk“ ist für 14,90 Euro erhältlich.